Vor der Rettung, nach der Rettung … und dazwischen?

Oftmals liegen zwischen den einzelnen Rettungen unserer Hennen drei bis vier Monate. Und Ihr fragt Euch sicher, was wir in dieser Zeit machen. Wir liegen in unserer Freizeit faul rum und frönen unseren dekadenten Hobbys! Nee, Quatsch: Neben den ganz normalen Vereins- also Bürotätigkeiten, wie Bestandslisten für Verbrauchsmaterial führen, Website pflegen, potenzielle Betreiber zur Abgabe ihrer Hennen an uns bewegen und, und, und … gibt es immer wieder sogenannte „kleine Rettungen“. Dabei handelt es sich um ganz unterschiedliche Angelegenheiten. Manchmal melden sich Privatpersonen, die aufgrund von Krankheit, Schicksalsschlägen oder gar Todesfällen in der Familie Hühnerhaltungen aufgeben müssen. Dann haben wir oft noch ein bisschen Vorlaufzeit, um die Tiere in Ruhe zu vermitteln. Das sind recht unspektakuläre Einsätze, bei denen es sich meist um eine überschaubare Zahl Hennen und (manchmal auch) Hähne handelt.

Hektisch wird es, wenn ausgesetzte Tiere gemeldet werden. Dabei handelt es sich meistens um arme Hähne, die gewollt oder ungewollt erbrütet wurden und aufgrund erboster Nachbarn (Lärmbelästigung) oder Streitereien unter mehreren Hähnen nicht mehr gehalten werden können. Wenn die Besitzer dann nicht mehr ein und aus wissen, greifen sie zum einfachsten und für die Tiere qualvollsten Mittel, sie setzen sie einfach irgendwo aus. Dann ist schnelles Handeln gefragt, denn domestizierte Tiere kommen in der freien Natur nicht klar. Neben Futtermangel sind sie schutzlos den Elementen wie Kälte, Hitze, Regen und natürlich jeder Menge Fressfeinden ausgesetzt. Nicht zuletzt fallen sie als „verwilderte“ Haustiere unter das Jagdrecht und dürfen gesetzeskonform von Jägern erschossen werden. Und so stehen wir dann gleich vor mehreren Problemen: Zuerst müssen wir die meist verängstigten, gestressten Tiere einfangen. Danach brauchen sie eine Notunterkunft und das ist bei Hähnen bekanntermaßen schon schwierig. Und zuletzt brauchen sie einen Platz für den Rest ihres Lebens. Das ist dann der Moment, in dem wir uns an Euch wenden und Euch darum bitten, einen der Jungs aufzunehmen.

Leider wird die Liste unserer Vermittlungshähne immer länger, da das Problem kaum aus der Welt zu schaffen ist. Neben Hühnern, die einfach mal heimlich, unentdeckt vom Besitzer, eine Brut durchführen und urplötzlich mit zig Küken im Schlepptau wieder auftauchen, gibt es leider auch immer wieder die ach so gut gemeinten Kindergarten- und Grundschulprojekte. In denen sollen die Kinder sehen/lernen, wie aus unscheinbaren zehn Eiern zehn zuckersüße Küken werden. Dass rein statistisch dabei auch fünf Hähne rauskommen, hat keiner der Verantwortlichen vorher bedacht. Bei uns keimt inzwischen der Verdacht auf, dass sich mindestens neuneinhalb Hähne aus zehn Eiern ergeben. Anders ist die Quote der Anfragen zur Abgabe der Hähne kaum zu erklären. Dass daraus resultierende Leid der Hähne wird kaum jemandem gewahr Auch im privaten Bereich taucht die Argumentation mit den „süßen Küken“ immer wieder auf. „Unsere Kinder sollten einmal sehen, wie niedlich das ist …“, „Ich wollte, dass meine Henne einmal Mutterglück erfährt …“. Und während genau hier offensichtlich Wert auf das „psychische“ Wohl der Tiere gelegt wird, ist es ist physischen Bereich meist ganz anders. Auf unsere Nachfrage, ob die Tiere regelmäßig geimpft und entwurmt wurden, ernten wir oft erstaunte und fragende Blicke. Denn mit dem Wissen um die gesetzliche NCD-Pflichtimpfung scheint es im Hobbyhalter- und Züchter-Bereich oft nicht weit her zu sein. Und auch die für die Hühner wichtige regelmäßige Entwurmung wird gerne mal vergessen.

Einsätze, die wir trotz der oft bewegenden Begleitumstände, gerne machen, sind die, bei denen uns das Veterinäramt, Ordnungsamt oder gar die Polizei um Mithilfe bitten. Es geht dabei häufig um Beschlagnahmungen aus nicht tiergerechten Haltungen. Sicherlich ist die Auffindesituation dann für uns eher bedrückend, aber das Gefühl, die Hühner zu retten und in ein besseres Leben zu bringen ist schön. Und nicht zuletzt gibt man auch den Vorbesitzern die Chance auf einen Neustart, denn es handelt sich in den allermeisten Fällen tatsächlich nicht um „schlechte“ Menschen, sondern um reine Überforderung durch eine Masse an Tieren, um falsch verstandene Tierliebe oder ganz einfach um „gut gemeint ist oft nicht gleich gut gemacht“. Dann ist durch einen schnellen Einsatz allen Seiten geholfen.

Besonders kleine Rettungen, die oft „nur“ ein Huhn umfassen, entstehen, wenn Betreiber kleiner bis mittelgroßer Legebetriebe ihre Hennen nicht nur gut beobachten, sondern auch an ihrem Wohlergehen interessiert sind. Sie holen dann die kränkelnden oder verletzten Tiere aus ihrer Herde heraus und melden sich bei uns. Oft ist es uns möglich, diese Tiere wieder gesundzupflegen und weiterzuvermitteln oder in unseren eigenen Hühnerscharen unterzubringen. So läuft in Mönchengladbach bei Kiki zum Beispiel TockTock rum, die mit einem Trümmerbruch aus einer Hühner-Mobilstall-Haltung geborgen wurde. Industriell gesehen, wäre sie „erlöst“ worden. Durch ihre Rettung wurden Fuß und Unterschenkel amputiert und TockTock hat eine Prothese erhalten, mit der sie der Handicap-Hennen-Gruppe gut zurechtkommt.

Kleine Rettungen können auch bedeuten, dass recht „bäuerliche, naturnahe“ Kleinbetriebe 30 oder 50 Hennen ausstallen und sich aufgrund der Nähe, die sie zu den Tieren aufgebaut haben, schwer damit tun, diese zum Schlachter zu geben. Natürlich sind wir als Hühnerrettung NRW vorrangig darauf fixiert, Hennen aus der Massentierhaltung ans Licht der Öffentlichkeit zu holen, aber manchmal können wir halt nicht „nein“ sagen und helfen aus. Dann kommt ein kurzer, regionaler Aufruf und eine solche Rettung geht schnell über die Bühne.

Ihr seht also, so ganz ohne Federvieh halten wir es auch zwischen den großen Rettungen nicht aus. Die, die uns schon länger kennen, wissen ja auch: „Hühner machen süchtig!“. Und daher wenden wir uns bei den ganz kurzfristigen Notfällen immer zuerst an unsere „Widerholungstäter“, also die Abnehmer, die uns schon lange die Treue halten und immer wieder Hühner aufnehmen. Denn wir wissen, so lange im Stall noch ein Plätzchen frei ist, helft ihr uns und nehmt das eine oder andere Hühnchen auf.